Wolfgang Betke








Wolfgang Betke, Portrait Anna Chorese I, oil on canvas, 130 x 100 cm, 2011 





Nicht mehr dumm sein wie ein Konzeptkünstler!

Malerei ist zuerst Leidenschaft. Sie ist Liebe, Aggression, Zärtlichkeit und Malerei kommt zuallererst aus dem Leib. Leib steht aber nicht in einem Gegensatz zu bewußter Reflexion, sondern ist allererst deren Bedingung. Der Mensch ist nicht reduzierbar auf lediglich eine seiner Fähigkeiten, sei es die Kognition oder die gefühlsmäßge Aktion. Der Begriff Mensch umfaßt unseren Körper und unser Denken. Der Leib ist dabei die Basis, sozusagen die materielle Voraussetzung des Geistigen.

Der Leib ist dabei auch ein Einschreibemedium. Alles was wir erleben, erfahren, analysieren, beobachten, kurz alle unsere Erfahrungen, hinterlassen Spuren im Leib. Er hat selber ein Gedächtnis und eine Codierung, die wiederum Auswirkungen auf unsere Handlungsfähigkeit hat. Mich interessiert eine Kunst, die auf dieses umfassende Verständnis von Leiblichkeit rekurriert. 

Indem ich mich für eine prozessuale Methode entscheide und ohne vorgefasste Idee ein Bild oder einen Text beginne, möchte ich an die innersten leiblichen Codes in mir gelangen, die, historisch-sozial generiert, mich und mein Verhalten bestimmen. Unsere Ratio ist nur zum Teil für unser Handeln verantwortlich, es gibt tieferliegende Schichten, die von dem, was wir erfahren, programmiert werden. An diese Codes will ich ran mit meiner Methode. Denn diese
Codierungen können nicht lügen, das ist unsere Wahrheit, da gibt es keine Lippenbekenntnisse und keine Derivate.

Ich fange bei jedem Bild von Null an. Das einzige woran ich am Anfang denke ist eine Farbe oder ein Farbklang. Alles Weitere macht der Prozess selber. Es geht automatisch weiter in einem Zustand der unbewußten Luzidität. An irgendeiner Stelle schiebt sich dann plötzlich etwas Figurales ins Bild, ein Gegenstand taucht auf, ohne daß ich es wollte. Das heißt, ich komme induktiv zu meinen Inhalten, nicht deduktiv. Und irgendwann bekommt das Bild diesen magischen Moment, es beginnt ein Eigenleben. Dann liegt es an mir, ob ich in der Lage bin, dieses Eigenleben zu respektieren und es also zu bestärken oder es wieder zu versauen.
An diesem Punkt habe ich den Automatismus des Anfangs schon ein bißchen verlassen und eine tastende Kontrolle des Bildgeschehens setzt ein. Meine Methode könnte man also mit Max Ernst als halbautomatisch bezeichnen. Die vielen Schichten in meinen Bildern sind für mich geschichtete Zeit, man kann sie als Tresore gelebter Zeit ansehen. Darin ist ein Teil meines Lebens, meine Energie und meine Handlungen eingeschlossen. Wenn ich nun hingehe und diese Schichten mit dem Schleifapparat wieder aufbreche, dann gehe ich buchstäblich in meiner eigenen Lebenszeit zurück. Ich grabe die Schichten an und stoße auf vergangene
Lebensebenen. Dann betreibe ich im Prinzip Archäologie, ich bin dann soetwas wie der Archäologe meiner eigenen Geschichte.

Ein wichtiges Thema bei mir ist die Auflösung, Auflösung von Figur und Bildträger. Mein Abschleifen der Figur und der Leinwand attackiert beide und löst sie real auf, anstatt dies nur zu illustrieren. Illusionismus und Tatsächlichkeit sind also bei mir gleichzeitig am Werk. Alle meine technischen Mittel tragen in ihrer formalen Spur zur Bedeutung des Objektes bei, nicht nur der sagbare Inhalt, ich nenne das die Verkörperung von Bedeutung. Es geht bei mir immer um den Zustand des Menschen jetzt. Das kann ich nicht ohne das Kaputte, ohne Destruktion, d.h. Zerstörung und Aufbau, Konstruktion und Dekonstruktion gehören dazu. Denn der Mensch ist keine intakte Einheit. Er definiert sich aus Brüchen, Überlagerungen, Übercodierungen, Widersprüchen, die unkommentiert nebeneinander stehen. Über die rationale Analyse alleine wird das nicht wirklich deutlich. Malerei muß und kann diese Erkenntnisse unterstützen als ein leibliches Medium, das den Menschen körperlich naherückt. Indem uns die Malerei die Phänomene spüren läßt, verwandelt sie unsere Kenntnisse und Erkenntnisse in tiefe Erfahrungen.

Die Konfrontation mit dem Körperlichen der Malerei, mit starken stofflichen Präsenzen, darum geht es für mich in der Malerei. Sie ist auch deshalb so wichtig, weil vieles in der sonstigen Kunstpraxis so analytisch unsinnlich daherkommt. Malerei wirkt in diesen Kontexten wie ein notwendiges Korrektiv und eine Ergänzung.

Ich wollte nicht mehr so dumm sein wie ein Konzeptkünstler. Ich wollte weg von der Vorherrschaft der Information und hin zu einem Medium, das sich selbst vergessen kann und selber anfängt zu sprechen. Erst wenn das Medium aufhört zu informieren, also das eine mit dem anderen zu sagen und anfängt, selber zu sprechen, sich selbst auszudrücken, dann hat das Ereignis etwas mit Kunst zu tun. Nun ist dies aber im Wortsinn kein eigentliches Sprechen, sondern es geht um eine stumme Sprache der Präsenz. Eine stumme Sprache der Setzung. Eine stumme Sprache.


Wolfgang Betke










Wolfgang Betke, ich wär so gern dein Schmuckeremit, 
2010, Mischtechnik auf Leinwand, 85 x 76 cm










Wolfgang Betke,Einblendung, 2011, Mischtechnik/ Leinwand, 50 x 40 cm











































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