on the same side of the water
Wolfgang Betke, Gregor Gleiwitz, Thomas Grötz, Christian Hellmich, Daniel Kannenberger, Isabel Kerkermeier, Julia Rüther, Jan Scharrelmann, Michaela Zimmer
Performance: Catherine Lorent / Gran Horno
Schwimmen zwei junge
Fische des Weges und treffen zufällig einen älteren Fisch, der in der
Gegenrichtung unterwegs ist. Er nickt ihnen zu und sagt: „Morgen, Jungs. Wie
ist das Wasser?“ Die beiden Fische schwimmen eine Weile weiter, und schließlich
wirft der eine dem anderen einen Blick zu und sagt: „Was zum Teufel ist
Wasser?“ Mit dieser Anekdote beginnt David Foster Wallace seine Rede vor
Uni-Absolventen. Was ist Wasser? Was ist Kunst? Was ist Leben? Nicht die
Fähigkeit denken zu können, ist wesentlich, sondern zu entscheiden, worüber es
sich lohnt nachzudenken. Das bedeutet, sich von seinen eigenen Gewohnheiten und
Gewissheiten innerhalb des Denkens zu befreien. Was banal klingen mag, gehört
jedoch gehört.
Gerade den
zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern wird seit einiger Zeit
zugesprochen, sich zu befreien, immer wieder, von dem Ballast und den Vorgaben
der früheren Kunstschaffenden, den Sammlern und Galeristen. Wirklich frei sein,
sein Denken und Fühlen stets zu hinterfragen und unroutiniert zu produzieren,
um das Wasser zu wissen und die Schein-Gegensätze von Gegenständlichkeit und
Abstraktion bis hin zur Unkenntlichkeit aufzulösen: Dieses Kunststück gelingt
den in dieser Ausstellung versammelten Künstlerinnen und Künstlern.
Spuren verweisen auf Außerbildliches,
mal steht die Farbe, der Farbauftrag, die Geste oder das Material der Farbe,
die Zeichnung, auch im Dreidimensionalen, selbst im verschobenen Mittelpunkt.
Es stellen sich Fragen nach der Kontingenz, dem kontingenten Sein, auch in der
Kunstproduktion, z.B. in der Form von Flecken. Filigranes, Poetisches in den
Arbeiten und Irrwege bei der Titelgebung regen den Betrachter an, geben ihm die
Möglichkeit sich auf ein großes Angebot einzulassen. Die Grenzen von Arbeit und
Präsentationsraum können dabei verschwimmen oder stemmen sich dem Besucher hart
und klar entgegen.
Widerstände sind in
den einzelnen Arbeiten zu erahnen: das Anschwimmen gegen Strudel und
Unterströmungen, aufpeitschende Winde. Aber von welcher Seite die Künstler das
Wasser auch durchschwimmen – sich mit kunstgeschichtlichen Vorläufern und den
jeweiligen Materialien auseinandersetzen: Nach dem Sturm im Wasser schweben die
Ergebnisse schwerelos und ungeachtet der körperlichen Schwerkraft und Arbeit im
Raum. Eine „Löchrigkeit des Menschen“ (Wolfgang Betke)
oder Fisches wäre möglich, sodass Wasser durch ihn hindurchfließen könnte, was
es bereits tut, nur innerhalb des Körpers, abgegrenzt durch die Haut –
abgesehen von den Körperöffnungen, durch die ein Flüssigkeitsaustausch
stattfindet.
Die heute nicht mehr
beachtete Unterscheidung zwischen Abstraktion und Abstrahierung und die genaue,
d.h. isolierte Betrachtung eines Farbauftrags, z.B. auf einem als
gegenständlich bezeichneten Bild, der als abstraktes Detail wahrgenommen werden
kann, verweist darauf, dass eigentlich jede Malerei als abstrakt erklärt werden
muss. Wenn man diese Überspitzung vernachlässigt, gibt es jedoch Malerei ohne
Referentialität, die als reine Abstraktion bezeichnet werden kann.
Von welchen Seiten man
auch das Wasser betrachtet – auch der dem Wasser nachgehende Blick, durch die
eigene Porösität: Entscheidend ist das Wissen und Fühlen seiner Existenz.
Julia Wirxel