Dienstag, 25. März 2014



on the same side of the water

Wolfgang Betke, Gregor Gleiwitz, Thomas Grötz, Christian Hellmich, Daniel Kannenberger, Isabel Kerkermeier, Julia Rüther, Jan Scharrelmann, Michaela Zimmer
Performance: Catherine Lorent / Gran Horno

Schwimmen zwei junge Fische des Weges und treffen zufällig einen älteren Fisch, der in der Gegenrichtung unterwegs ist. Er nickt ihnen zu und sagt: „Morgen, Jungs. Wie ist das Wasser?“ Die beiden Fische schwimmen eine Weile weiter, und schließlich wirft der eine dem anderen einen Blick zu und sagt: „Was zum Teufel ist Wasser?“ Mit dieser Anekdote beginnt David Foster Wallace seine Rede vor Uni-Absolventen. Was ist Wasser? Was ist Kunst? Was ist Leben? Nicht die Fähigkeit denken zu können, ist wesentlich, sondern zu entscheiden, worüber es sich lohnt nachzudenken. Das bedeutet, sich von seinen eigenen Gewohnheiten und Gewissheiten innerhalb des Denkens zu befreien. Was banal klingen mag, gehört jedoch gehört.
Gerade den zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern wird seit einiger Zeit zugesprochen, sich zu befreien, immer wieder, von dem Ballast und den Vorgaben der früheren Kunstschaffenden, den Sammlern und Galeristen. Wirklich frei sein, sein Denken und Fühlen stets zu hinterfragen und unroutiniert zu produzieren, um das Wasser zu wissen und die Schein-Gegensätze von Gegenständlichkeit und Abstraktion bis hin zur Unkenntlichkeit aufzulösen: Dieses Kunststück gelingt den in dieser Ausstellung versammelten Künstlerinnen und Künstlern.

Spuren verweisen auf Außerbildliches, mal steht die Farbe, der Farbauftrag, die Geste oder das Material der Farbe, die Zeichnung, auch im Dreidimensionalen, selbst im verschobenen Mittelpunkt. Es stellen sich Fragen nach der Kontingenz, dem kontingenten Sein, auch in der Kunstproduktion, z.B. in der Form von Flecken. Filigranes, Poetisches in den Arbeiten und Irrwege bei der Titelgebung regen den Betrachter an, geben ihm die Möglichkeit sich auf ein großes Angebot einzulassen. Die Grenzen von Arbeit und Präsentationsraum können dabei verschwimmen oder stemmen sich dem Besucher hart und klar entgegen.
Widerstände sind in den einzelnen Arbeiten zu erahnen: das Anschwimmen gegen Strudel und Unterströmungen, aufpeitschende Winde. Aber von welcher Seite die Künstler das Wasser auch durchschwimmen – sich mit kunstgeschichtlichen Vorläufern und den jeweiligen Materialien auseinandersetzen: Nach dem Sturm im Wasser schweben die Ergebnisse schwerelos und ungeachtet der körperlichen Schwerkraft und Arbeit im Raum. Eine „Löchrigkeit des Menschen“ (Wolfgang Betke) oder Fisches wäre möglich, sodass Wasser durch ihn hindurchfließen könnte, was es bereits tut, nur innerhalb des Körpers, abgegrenzt durch die Haut – abgesehen von den Körperöffnungen, durch die ein Flüssigkeitsaustausch stattfindet.
Die heute nicht mehr beachtete Unterscheidung zwischen Abstraktion und Abstrahierung und die genaue, d.h. isolierte Betrachtung eines Farbauftrags, z.B. auf einem als gegenständlich bezeichneten Bild, der als abstraktes Detail wahrgenommen werden kann, verweist darauf, dass eigentlich jede Malerei als abstrakt erklärt werden muss. Wenn man diese Überspitzung vernachlässigt, gibt es jedoch Malerei ohne Referentialität, die als reine Abstraktion bezeichnet werden kann.
Von welchen Seiten man auch das Wasser betrachtet – auch der dem Wasser nachgehende Blick, durch die eigene Porösität: Entscheidend ist das Wissen und Fühlen seiner Existenz.


Julia Wirxel