Daniel Kannenberg








Daniel Kannenberg, Gravity, 2014, Tusche, Acryl und Lack auf Leinwand, 
24 X 18 cm, Sammlung Marc Fiedler, Berlin Courtesy Anna Jill Lüpertz Gallery








Instant Crush (Quit quitting), 2012/ 2013, Tusche, Acryl, Lack und Öl auf Leinwand, 160 X 260 cm
(c) Daniel Kannenberg, Courtesy Anna Jill Lüpertz Gallery
Photo: Ludovic Jecker





"Porque también somos lo que hemos perdido"

Eines der neuen Bilder heißt "Verlust der Nacht". 
Der Titel bezieht sich auf die Tatsache, dass wir eine der ersten Generationen sind, die ohne das Licht der Sterne aufwächst. Ein Phänomen das in vielen Diskussionen über Umweltthemen komplett ausgeklammert wird. Wer schon einmal einen Sternenhimmel ohne störendes elektrisches Umgebungslicht gesehen hat weiß um die Kraft dieses Anblicks.
Seit es uns gibt, beschäftigt uns das Universum. Das Konzept der Unendlichkeit bleibt dabei außerhalb unserer Vorstellungskraft, genau wie das Wirken der sogenannten schwarzen Löcher. Wir sind von einem Universum umgeben, das wir (auch im wörtlichen Sinne) nicht "begreifen" können und das doch unzweifelhafte Realität ist. Die Frage nach der Welt hinter den sichtbaren Sternen hat in Form von Kult, Religion, Philosophie, Wissenschaft und Kunst Menschen zu allen Zeiten beschäftigt. 
Astronomie ist heute eine weitestgehend theoretische Wissenschaft in der die großen Leistungen an Schreibtischen und in Gesprächen entstehen, vermutlich bei vielen Tassen Kaffee, die unter Umständen Kaffeeflecken, Spuren auf Schreib- oder Cafeteriatisch, hinterlassen. Diese verbleiben als greifbare und doch unbeabsichtigte Überreste. Sie sind Nebenprodukte theoretischer Überlegungen, deren Ergebnis eben auch dieser Fleck ist. 
Ich assoziiere mit dem lebendigen Schwarzton von Kaffeeflecken die Haptik unterhaltsam geschriebener, amerikanisch-populärwissenschaftlicher Paperback-Bücher, zum Beispiel über Logik im Alltag, die Preisfindung von Cappucino bei Starbucks und eben Raum- und Zeitthemen. Diese blättere und lese ich mit großer Begeisterung, am liebsten in Flugzeugen oder Cafés.
Ein Fleck ist auch die Geschichte eines Weiterziehens, es ist die Spur, die Gegenstände, Situationen und Erlebnisse hinterlassen und anhand derer man sie erinnern und möglicherweise rekonstruieren kann.
Die Frage nach den Grenzen und der Entstehung des Universums ist letztendlich auch eine Frage nach Zufall und dessen Spuren und Überresten. 
Ist alle Existenz Zufall und ist Zufall überhaupt ein sinnvoller Begriff in kosmischen Zusammenhängen? 
Aus diesen Gedankensträngen heraus entstehen meine neuen Bilder, die sich mit Zufall und dessen Deutung beschäftigen. Auf grauem oder anthrazitfarbenem, räumliche Tiefe suggerierendem Grund  gibt es tatsächliche Flecken und gemalte Flecken, Skalen, Linien, Streifen, ab und an quadratische Felder. 
Gemalte Flecken meint hier konstruierte Flecken, also vorher entworfen und dann gemalt, ähnlich einem gemaltem Portrait. 
Daneben tauchen abstrahierte Skalen auf, die scheinbar Tiefe, Säuregehalt oder Temperatur des Flecks, also der "Erscheinung" überprüfen. Wir begegnen einer scheinbaren Versuchsanordnung, die gleichzeitig ein Bild sein könnte. 
Die reflexhafte Frage beim Betrachten von Kunst lautet immer auch: "Is this something? Is it hot?"  
Genau diese Frage scheinen auch die Skalen in den neuen Bildern zu stellen: "Ist das ein interessanter Fleck, eine interessante Farbe?" und vor allem: "Ist das ein Bild? Ist das Etwas? Und, besser noch: "War das etwas? “

Das Kinodebüt von Alejandro González Iñárritu, der mexikanische Film "Amores Perros" von 2000 endet, weiße Schrift auf schwarzer Kinoleinwand mit dem Satz:  

"Porque también somos lo que hemos perdido."
(Denn wir sind auch das, was wir verloren haben.)

Daniel Kannenberg, 
Berlin, April 2014





Is string complete?, 2014, Tusche, Acryl und Lack auf Leinwand, 24 X 30 cm
(c) Daniel Kannenberg, Courtesy Anna Jill Lüpertz Gallery
Photo: Ludovic Jecker





































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